Pressemitteilung

„Dahin gehen, wo die Menschen sind, statt zu warten, dass sie zu uns kommen“

Landessynode: Letzter Jahresbericht von Präses Manfred Rekowski

  • Nr. 9/2021
  • 11.1.2021
  • 6019 Zeichen

Düsseldorf. In seinem letzten Jahresbericht als Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland hat Manfred Rekowski noch einmal appelliert, als Kirche veränderungsbereit und veränderungsfähig zu sein. Selbst sinkende Mitgliederzahlen änderten nichts am Auftrag der Kirche, die Botschaft von der Liebe Gottes zu den Menschen zu bringen und sie zum Glauben einzuladen.

„Wir bleiben auch Kirche mit gesellschaftlichem, öffentlichem Anspruch, wenn wir zahlenmäßig keine gesellschaftlich relevante Gruppe mehr sind. Denn das Evangelium ist gesellschaftlich und existenziell relevant“, sagte Präses Rekowski heute Nachmittag in Düsseldorf auf der Landessynode der rheinischen Kirche, die bis Freitag als Videokonferenz tagt. „Wir sollten uns nüchtern damit befassen, wie wir Kirche Jesu Christi unter anderen Rahmenbedingungen sein können. Die Kirche Jesu Christi hat in ihrer langen Geschichte sehr unterschiedliche Phasen durchlaufen. Sie ist nicht an eine bestimmte institutionelle Form gebunden. Sie ist Kirche Jesu Christi als Mehrheitskirche in der Gesellschaft, aber dies auch als Minderheitskirche. Wir bewegen uns in unserer Zeit von dem einen zum anderen, wir müssen lernen, diasporafähig zu werden. Das schmälert weder die Würde der Kirche noch ihren Auftrag. Es schließt aber eine strukturkonservative Grundhaltung aus.“

Analog und digital mit Menschen in Kontakt kommen und bleiben

Die Corona-Krise habe deutlich gezeigt, dass die Evangelische Kirche im Rheinland veränderungsfähig sei, und habe einen bisher kaum vorstellbaren Digitalisierungsschub ausgelöst. „Ein Blick auf die Homepages der Kirchengemeinden, der Kirchenkreise sowie der funktionalen Dienste zeigt dies. Neue Partizipationsmöglichkeiten wurden entdeckt und werden zunehmend stärker genutzt. So erreichen Gemeinden auch Menschen, die sonst nicht in unsere Gemeindehäuser gekommen wären. Hier darf es keinen Rückfall in die Zeit vor der Corona-Krise geben, sondern hier ist eine Weiterentwicklung der guten Ansätze nötig“, so Manfred Rekowski (62): „Digitalisierung ist aber kein Selbstzweck, sondern es geht um die Haltung: dahin zu gehen, wo Menschen sind, statt zu warten, dass Menschen in unsere Kirchen kommen. Das gilt auch für das nicht-digitale Gemeindeleben in Corona-Zeiten. Zu beobachten ist hier in der Tat eine Revitalisierung analoger Angebote wie Briefe, Telefonate, Sonderausgaben von Gemeindebriefen, Zeitungsbeilagen usw..“

Corona-Pandemie trifft die Schwächsten weltweit besonders

Rekowski erinnerte in seinen Ausführungen vor den Mitgliedern des obersten Leitungsgremiums der Evangelischen Kirche im Rheinland an die Auswirkungen der Corona-Pandemie, die weltweit so viele Todesopfer fordert. Er erinnerte an das Leid der Hinterbliebenen, an das riesige Arbeitspensum des medizinischen und pflegenden Personals in Kliniken und Alteneinrichtungen, an die Existenzsorgen von Arbeitnehmerinnen, Einzelhändlern, Kulturschaffenden und vielen anderen. „Die Corona-Pandemie trifft die Schwächsten in besonderer Weise, das gilt für Deutschland, das gilt aber noch mehr für die ganze Welt. Viele Menschen sind in den ärmeren Ländern in ihrer Existenzgrundlage bedroht, weil Handelswege, weil Touristenströme unterbrochen sind und damit dringend notwendige Einnahmequellen fehlen“, konstatierte der Präses.

Flüchtlingselend am Rand der EU: „Wir dürfen das nicht dulden!“

Die Corona-Krise werde viele Menschen in den wirtschaftlich schwachen Ländern in Armut stürzen. Zugleich gebe es Flüchtlingsbewegungen auf der ganzen Welt. Diese Menschen seien den Veränderungen schutzlos ausgeliefert. Sie hätten keine feste Existenzgrundlage und seien daher auf die Hilfe anderer angewiesen. „Deshalb ist es besonders empörend, dass in dieser Zeit Menschen am Rande der EU unter menschenunwürdigen Bedingungen hausen müssen. Es ist richtig, alle sind von der Pandemie betroffen, aber doch in sehr unterschiedlicher Weise. Wir dürfen nicht die Menschen aus dem Auge verlieren, die schon alles verloren haben! Gerade in dieser Zeit ist es wichtig, für die Menschen ganz am Rande der Gesellschaft die Stimme zu erheben. Verhältnisse, wie wir sie in den Flüchtlingslagern am Rande der EU erleben, dürfen nicht sein, das dürfen wir nicht dulden!“, unterstrich Rekowski, der auch Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist.

Getrost riskieren, Fehler zu machen

Der diesjährige „Bericht über die für die Kirche bedeutsamen Ereignisse“ ist der letzte seiner achtjährigen Amtszeit: Im März geht Manfred Rekowski in den Ruhestand. Und so kam er am Ende seiner Rede auf die Frage zurück, wie Kirche im Wandel gelebt werden könne: „Wie wollen wir Kirche sein, wie wollen wir unserem Auftrag und unserer Verheißung hier und heute Gestalt verleihen?“ Zeiten von Veränderungen seien auch Zeiten der Verunsicherung. Das gelte insbesondere auch für die Kirche. „Doch uns trägt der Bezug auf den, der seine Kirche versammelt, schützt und erhält. Weil es Gott ist, der immer wieder auch durch uns für seine Kirche eintritt, gilt auch für unser gemeinsames kirchenleitendes Arbeiten in dieser Synode: Wir brauchen Mut, Entscheidungen zu treffen, und gehen dabei auch zukünftig getrost das Risiko ein, Fehler zu machen.“ Denn auch für das Bemühen um die Leitung der Kirche gelte, was der Theologe und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer so formuliert hat: „Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind und dass es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten.“

Zur Person: Manfred Rekowski

Manfred Rekowski ist seit März 2013 Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. Der Theologe wurde in Polen (Masuren) geboren. Als er fünf Jahre alt war, verließ seine Familie ihren Bauernhof und siedelte in die Bundesrepublik über. Rekowski hat in Bethel, Marburg, Bochum und Wuppertal Theologie studiert. 1986 wurde er Pfarrer in Wuppertal. Im März 2021 tritt Rekowski, dann 63 Jahre alt, nach acht Jahren im Amt des Präses in den Ruhestand.

--

Die Evangelische Kirche im Rheinland erstreckt sich über Teile der Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen. Sie gliedert sich in 37 Kirchenkreise mit 655 Kirchengemeinden. Die rheinische Kirche hat rund 2,4 Millionen Mitglieder.
  • Jens Peter Iven
  • EKiR/Eric Lichtenscheidt