Pressemitteilung

„Behinderung ist kein teurer, lästiger Betriebsunfall, den es zu vermeiden gilt“

Präses Rekowski über Beschluss zu Trisomie-Bluttests als Kassenleistung

  • Nr. 109/2019
  • 19.9.2019
  • 2789 Zeichen

Düsseldorf. Zum heutigen Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses von Ärzten, Kassen und Kliniken über die Zulassung von Trisomie-Bluttests als Kassenleistung nimmt der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, wie folgt Stellung:

„Der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Kassen und Kliniken birgt jede Menge Sprengstoff: Krankenkassen müssen künftig für Bluttests zahlen, mit denen beim ungeborenen Kind unter anderem nach Trisomie 21, auch bekannt als Down-Syndrom, gesucht werden kann. Gehört die Schwangere zu einer bestimmten Risikogruppe, ist der Test demnächst – nach ärztlicher Beratung und unter engen Voraussetzungen – eine Regelleistung von AOK, Barmer & Co. Wer bisher den Test machen wollte, musste selbst zahlen und dafür recht tief in die Tasche greifen. Außerdem, so die Neuregelung, müssen die Frauenärztinnen und -ärzte ihre Patientinnen stärker als bisher darüber aufklären, dass man mit einem Kind mit genetisch bedingter Behinderung auch gut leben kann.

Ganz dicht hinter dem unbestreitbaren Vorteil des Bluttests beginnt der Konflikt. Der Bluttest erübrigt eine Fruchtwasseruntersuchung und hilft so, das Risiko einer Fehlgeburt zu vermeiden. Ein unbestreitbarer medizinischer Fortschritt. Aber egal, ob Fruchtwasseruntersuchung oder nicht-invasiver Bluttest: Bislang führen die Diagnose Down-Syndrom und die anschließende ärztliche Beratung in mehr als 90 Prozent der Fälle zum Abbruch einer Schwangerschaft. Wer also sorgt dafür, dass die Beratung, auf die der Gemeinsame Bundesausschuss nun so viel Wert legt, tatsächlich Lebens-Chancen und vor allem Lebens-Wert von Kindern mit Behinderung für die werdenden Eltern sichtbar werden lässt?

Wollen wir dieses behinderte Kind bekommen oder nicht? Das ist für die betroffenen Eltern eine schwere Entscheidung. Sie hängt auch davon ab, wie gut wir Familien mit behinderten Kindern unterstützen. Vor allem aber hängt sie davon ab, in welchem gesellschaftlichen Klima wir leben. Für mich als Christ ist klar: Behinderung ist kein teurer, lästiger Betriebsunfall, den es zu vermeiden gilt. Ich glaube, dass der Mensch nach Gottes Bild geschaffen ist – und dieses Ebenbild Gottes sind auch Menschen, die Trisomie 21 oder eine andere Behinderung haben. Sie gehören in diese Welt. Das immer wieder zu sagen und zu leben, ist Aufgabe von beratenden Ärztinnen und Ärzten – und es ist die Aufgabe aller, die die Sätze des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker für wahr halten: „Es ist normal, verschieden zu sein. Es gibt keine Norm für das Menschsein.“

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Die Evangelische Kirche im Rheinland erstreckt sich über Teile der Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen. Sie gliedert sich in 37 Kirchenkreise mit 687 Kirchengemeinden. Die rheinische Kirche hat mehr als 2,5 Millionen Mitglieder.
  • Jens Peter Iven