Wer war Jesus von Nazareth?

Für die einen ist er Gottes Sohn, für andere ein Mensch, an dem sie sich ein Vorbild nehmen. Was wir von ihm wissen, fußt vor allem auf biblischen Zeugnissen. Bei allen Bedenken: Sicher ist, dass er gelebt hat.

Er fasziniert. Keine andere Gestalt der Weltgeschichte zieht so viele Menschen in ihren Bann. Er ist Thema zahlreicher Bücher, seine Person bietet reichlich Filmstoff. Allein die Suche nach „Jesus von Nazareth“ erzielt bei Google mehr als 380 000 Ergebnisse. Lieder besingen ihn, in Hunderten Sprachen wird er angebetet. Zu allen Zeiten beschäftigen sich Wissenschaftler mit Aspekten seines Lebens und mit seiner Botschaft. Das Neue Testament der Bibel, das von ihm berichtet, ist das meistgelesene Buch der Welt.

Erstaunlich, denn Jesus lebte weit weg von den Zentren der antiken Kulturwelt in einem abgelegenen Winkel des Römischen Reiches. Er selbst schrieb nie ein Buch, er sah weder Rom noch Athen. Doch statt wie Millionen seiner Zeitgenossen in Vergessenheit zu geraten, inspiriert er immer neu. Ein Beispiel: In seiner Veröffentlichung „Hinter Jesus her“ gibt Franz Kamphaus, langjähriger Bischof von Limburg, der Vision eines menschlichen Zusammenlebens einen Namen – Jesus von Nazareth. Ein anderes: Die Nachfrage nach Armbändern mit Buchstabenkombinationen wie W.W.J.D. (What would Jesus do? Übertragen: Wie würde Jesus in dieser Situation reagieren oder handeln?) reißt vor allem unter Jugendlichen nicht ab.

Wer war dieser Jesus, von dem vieles behauptet und an dem ebenso vieles bezweifelt wird? Bei allem, was in 2000 Jahren Kirchengeschichte aus seiner Person gemacht wurde, ist historisch unstrittig, dass er gelebt hat. Über den jungen Jesus ist fast nichts bekannt. Wie verbrachte er seine Kindheit? Wie wurde er erzogen? Stellte er sich in der Ausbildung zum Bauhandwerker geschickt an? Fragen, die offen bleiben. Der einfache Mann aus Nazareth, einem unbedeutenden Ort in Galiläa, tritt erst als Erwachsener ins Licht der Öffentlichkeit. „Als Jesus sein Werk begann, war er etwa dreißig Jahre alt“, berichtet der Evangelist Lukas (Lk. 3,23 nach Gute Nachricht Bibel). Dabei wirkt er ruhig, nicht stressanfällig. Er besitzt eine souveräne Art zu reden, und er kann mit schwierigen Menschen umgehen. Auffällige Gelassenheit zeigt er im Hinblick auf Sorgen und Ängste, er vertraut schlicht auf die Zuwendung Gottes. Das zieht Menschen an, das stimmt sie nachdenklich.

Biblische Schriften zeichnen verschiedene Bilder

Die biblischen Schriften machen als Zeugnisse des Glaubens die umfangreichsten Aussagen über diesen außergewöhnlichen Mann, und sie zeichnen verschiedene Bilder. Da ist Jesus, der Lehrer der Weisheit und Ausleger der Thora (das jüdische Gesetz). Der Meister unterrichtet seine Schüler – kein Einzelfall zur damaligen Zeit. Doch scheint Jesus in besonderer Weise davon überzeugt, dass es für andere gut ist, seine Worte zu hören und seine Lebensanweisungen zu befolgen. Da ist Jesus, der prophetische Verkündiger. Der Dreh- und Angelpunkt seiner Botschaft: Gott ist da. In mir ist er da, durch mich könnt ihr ihn hören. Deshalb ist es an der Zeit, euer Leben zu ändern! Und da ist Jesus, der charismatische Wundertäter. Er befreit Besessene von Dämonen. Er heilt Kranke. Er macht Menschen satt.

Jesus trägt verschiedene „Titel“. Einer, die Bezeichnung „Gottessohn“, betont, dass der Jude Jesus globale Bedeutung erlangt. Der Gottessohn lebt seinen Alltag in einer besonderen Beziehung, nämlich in einer persönlichen Nähe zu Gott. In seiner vielleicht bekanntesten Rede, der Bergpredigt, gebraucht er für diesen sogar die vertraute Anrede „Abba, Papa“. Und er lädt auch andere Menschen in diese Nähe zu Gott ein.

Ein Mensch wie wir – und doch ganz anders

Der einfache Bauhandwerker Jesus ist nicht korrupt, nicht ungerecht, er ist frei von Machtstreben und Filz. Ein Mensch wie wir – und doch ganz anders. Dem Unschuldigen wird im Alter von spätestens Mitte dreißig der Prozess gemacht, er verliert sein Leben.

Der Anspruch Jesu, von Gott gesandt zu sein, bringt hohe Würdenträger seines eigenen Volkes auf. Er wird beschuldigt, verraten, den machthabenden Besatzern ausgeliefert und brutal misshandelt. Nach römischem Recht und durch die römischen Behörden wird er verurteilt und hingerichtet.

Doch damit ist die Geschichte des Jesus von Nazareth nicht zu Ende. Das überliefert bereits der jüdische Historiker Flavius Josephus in den „Jüdischen Altertümern“ (93 n. Chr.): „Zu dieser Zeit lebte Jesus, ein weiser Mensch, wenn man ihn einen Menschen nennen darf. Unerhörte Taten tat er nämlich, ein Lehrer solcher Menschen, die mit Freude die Wahrheit annehmen, und gewann viele Juden und auch Griechen für sich. Er war der Christus. Und als Pilatus nach Hinweisen unserer führenden Männer ihn zum Kreuz verurteilte, gaben diejenigen, die ihn zuerst geliebt hatten, nicht auf. Er erschien ihnen nämlich am dritten Tage wieder lebend, was neben zehntausend anderen wunderbaren Dingen die göttlichen Propheten gesagt hatten. Und noch bis jetzt ist der nach ihm genannte Stamm der Christen nicht verschwunden.“

„Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“

Jesus fordert zur Auseinandersetzung heraus. Wer ist dieser Mann? Darauf müssen viele eine Antwort finden: Freunde und Feinde, Juden und Römer, gebildete und einfache Leute.

Für die damalige Tempelaristokratie, die Sadduzäer, ist Jesus ein Gotteslästerer, für die römische Besatzungsmacht ein Aufrührer. Petrus hingegen formuliert im Namen der Jünger: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“ Zu diesem Schluss sind sie im Laufe ihres Lebens mit Jesus gekommen. Wenn das stimmt, dann sprengt Jesus den Rahmen aller von Menschen gemachten Jesusbilder. Dann sind alle Kategorien zu klein. Dann ist Jesus einzigartig.

Es ist schon erstaunlich, wie unterschiedlich Menschen auf Jesus reagieren. Für die einen ist sein Name nur Bestandteil einer gedankenlosen Redensart. Für die anderen ist er der Sohn Gottes, den sie anbeten und dem sie nachfolgen wollen. Manche halten die Sache mit Jesus für den größten Betrug der Geschichte, andere setzen ihr ganzes Leben für genau diese Sache ein. Eines steht dabei fest: Gegenüber Jesus ist es schwer, neutral zu bleiben – bis heute.

  • Cornelia Breuer-Iff

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